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Projektreise nach Bolivien Ostern 2012

 

Wie kam meine Projektreise nach Bolivien zustande

Unser Weltladen wird seit einigen Jahren von Monika Stöckl mit Alpakaprodukten beliefert. Der Weltladen unterstützt das Projekt auch finanziell. Monika ist gebürtige Altenmarkterin und hat 2000 in El Alto in einem Straßenmädchenprojekt für einige Monate ein Praktikum gemacht. Die Sozialpädagogin war 2002 in La Paz um ihre Diplomarbeit zu schreiben. Die schrecklichen Zustände dort veranlassten sie danach das Projekt Wiphala zu gründen. 3 Jahre lebte sie dort und leitete selbst das Projekt, seit 2005 hat sie nun Hilfe vor Ort

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Das Projekt-Haus
 
 

Beim letzten liefern der Wollsachen saßen wir gemütlich bei 1 Tasse Kaffee in der Eisdiele. Mich interessierte wann Monika wieder nach Bolivien fahren würde und sie sagte Ostern 2012 und erzählte von ihrem Projekt. Spontan meine Frage ob ich mitkommen könne. Sie sagte nur da fährt man nicht hin zum Urlaub machen und dachte an einen Spaß meinerseits. Aber schon am nächsten Arbeitstag klärte ich das mit meinen Urlaub und sagte Monika Bescheid dass ich gerne ihr Projekt kennenlernen möchte und mitfahren würde. Sie konnte es einfach nicht glauben, aber wir beide flogen Ostern 2012 gemeinsam nach Bolivien, natürlich aus eigenen Mitteln finanziert.
Bolivien ist etwa 3x so groß wie Deutschland und es leben dort 10 Millionen Menschen. El Alto ist mit ca 1 Million Einwohner die zweitgrößte und ärmste Stadt Boliviens. Jährlich wächst die Stadt um ca 60 000, größtenteils Landflüchtige, die nach einer neuen Existenz suchen, aber in der Stadt nicht oder nur sehr schwer Fuß fassen können, wenn sie aus ihren strukturierten Dorfgemeinschaften kommen. Auch hält die Infrastruktur der Stadt mit dem rasanten Wachstum nicht mit und es fehlt an Wasser, Strom, ‚Schulen usw.
Nach 17stündigem Flug mit 2xiger Unterbrechung kamen wir in El Alto auf über 4000 Meter Höhe, dem höchstgelegenen Flughafen, an. Leider ohne Gepäck das offensichtlich den Anschlussflug in Miami nicht rechtzeitig erreichte (bei den stundenlangen unsinnigen Kontrollen kein Wunder!!) Wie gut dass wir vorsorglich einen Notrucksack mit dem Nötigsten gepackt hatten und ich mit Monika unterwegs war, die bestens mit den Umständen während der Reise und auch dann in El Alto vertraut war. Mit meinem bisschen Spanisch wäre ich da nicht weit gekommen. Aufgrund der Höhe kippte nach dem Aussteigen aus dem Flieger gleich der erste Passagier um. Ja aber auch ich, und sogar Moni hatte Probleme mit der Höhe.

 
 

Ankunft in El Alto

 
  Nach 2 Tagen kamen auch unsere Koffer. Leider war die Schokolade nicht mehr das was sie sein sollte. 3 Tage in der Hitze von Miami zu stehen macht halt keinen Spaß. Mon Cheri waren z.B. aufgeplatzt und ausgelaufen, aber Gott sei Dank war alles bestens eingepackt. Es tat auch der Freude keinen Abbruch und geschmeckt hat`s ihnen auch.
Wir sind mit viel Freude und Herzlichkeit empfangen worden, es gab ein richtiges Fest nach der Ankunft und ich lernte gleich ganz viele aus dem Projekt kennen.
 

 

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Begrüßung im Projekt.

 
 

Das Projekt Wiphala

 
 

Das Projekt wird sehr geschätzt. Das eigene fünfstöckige Haus ist Anlaufstelle für ca 60 arbeitende Kinder und Jugendliche, damit aus ihnen keine Straßenkinder werden, so das Ziel
Fünfmal pro Woche gibt es hier für sie Mittagessen, nachmittags Tee, Kakao und Brot, jedoch nicht umsonst sondern für einen symbolischen Beitrag zwecks Wertschätzung.
Außerdem: Medizinische Grundversorgung (Kooperation mit einem Krankenhaus vor Ort), Hausaufgabenbetreuung, Workshops zu Gewalt in der Familie und Partnerschaft, Freizeitbeschäftigung, Lebensorientierung, Suchtprävention (Alkoholismus und Gewaltpotenzial ist sehr hoch ), 3 Erzieher arbeiten mit jeweils verschiedenen Altersgruppen. Es gibt verschiedene Ausbildungsprogramme: Bäckerei, Näherin, Strickgruppe, Metallwerkstatt und Kurse an anderen Standorten werden mitfinanziert. Neben den wunderschönen Stricksachen wird auch Schmuck, Armbänder hergestellt.
Studiosus Reisen besuchen und unterstützen regelmäßig das Projekt
Seit letztem Jahr wird auch für die Fa Maloja aus dem Chiemgau gestrickt, die auch Ostern das Projekt besuchten.
Der Pfarrer vor Ort besucht das Projekt und erzählt den Jugendlichen die Geschichte von Ostern. Wir lernen ihnen Ostereier anzumalen. Anschließend verstecken wir diese und viele Süßigkeiten dazu und erklären ihnen unseren Brauch des Osternestsuchens, alle hatten unheimlich Spaß daran.
20 Studenten erhalten finanzielle Hilfe für ihr Studium in Recht, Medizin, Gartenbau, Architektur.
Weiters gibt es eine Tanzgruppe und Gitarrenunterricht.

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Für mich das Wichtigste waren die Strickgruppen. Die Frauen treffen sich 1x pro Woche im Projekt um sich in allen Dingen des täglichen Lebens auszutauschen. Hier wird geratscht, gesponnen, gewebt, gestrickt und gehäkelt. Die Frauen zeigen mir mit Freude ihre Arbeiten und erklären wie wichtig die Vermarktung über den Fairen Handel für sie ist. Oft ist es das einzige Einkommen für die Familien. Auf die Frage ob es nach 50 oder 100 Mützen immer noch Spaß macht zu stricken lachen sie und nicken. Es fasziniert mich mit welcher Energie diese Frauen hier arbeiten und welch wunderschönes traditionelles aber auch sehr modisches hier entsteht aus noch echter reiner Alpakawolle.

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Im Haus gibt es ein riesiges Wolllager, die Wolle wird vorher und nachher gewogen, was übrig ist wird zurückgegeben. Die fertigen Sachen werden kontrolliert und bei Nichtgefallen muss geändert werden. Es war anfangs nicht so leicht für die Strickerinnen für den Europäischen Markt zu arbeiten. Die Wolle stammt von den Alpakas, Abstammung vom Kamel, die Tiere leben über 4000 Meter in den Anden. Wegen des extremen Klimas ist die Wollfaser leicht und hat thermische Eigenschaften. Außerdem sollten Alpakaprodukte nicht oft gewaschen sondern nur gelüftet werden.

 
 

Ausflüge mit den Jugendlichen

 
 

Für die Jugendlichen werden Ausflüge organisiert um mal aus der Stadt rauszukommen.
Wir unternahmen eine Fahrt nach Arica (10 Std. Busfahrt übers Altiplano, viele Alpakas, Vikunjas, Lamas, wüstenähnlich, nur wo Bewässerung, da etwas grün, Landwirtschaft, Kartoffel, Gemüse, Getreide vor allen Dingen herrlich rot blühende Quinuafelder) in Chile ans Meer, für die meisten die 1.Berührung mit Meer.. Entsprechend scheu verhielten sie sich anfangs. Am liebsten wären sie angezogen ins Wasser rein. Es hat lange gedauert bis sie reingingen und dann wollten sie nicht mehr raus. Übernachtet wurde in einem Haus im 1.Stock, ein besserer Bretterverschlag, mehr aufeinander als nebeneinander, (1Toilette, 1 Waschbecken, 1 Dusche für die Hausbesitzer und uns alle) eine ganz neue Erfahrung für mich und 1 Nacht verbrachten wir unter freiem Himmel im Schlafsack am Meer. Am Hafen beobachten wir Pelikane und Seehunde, die da von den Fischern mit Abfällen gefüttert werden. Der knappen Gelder wegen und der doch relativ weiten Fahrt musste natürlich an diesen Tagen am Essen gespart werden. Oftmals gab es nur Brot, 1 Stück Obst und Wasser. Auch gut, einmal so zu leben. Eine nicht unwichtige und gute Erfahrung. Hunde spielten mit uns am Strand Fußball, nachts haben sie uns bewacht und bekamen dafür von uns jede Menge Süßwasser und viele Streicheleinheiten.

 
  Zurück in El Alto  
 

Wieder im Projekt genieße ich einerseits die tolle Aussicht von El Alto runter nach La Paz, vor allem nachts wenn alles erleuchtet ist, den Blick auf die schneebedeckten Berge, andrerseits beobachte ich am Hang gegenüber immer wieder Menschen und Tiere die nach Brauchbarem im Müll suchen. Bei diesen täglichen Überlebenskämpfen, den Sorgen und Nöten der Menschen wird mir immer wieder bewusst welch großes Glück ich habe in Deutschland leben zu dürfen. Eine tiefe Demut und Dankbarkeit ergreift mich.
Hier wohnen die Reichen unten und die Armen oben. Es hat in der Zeit sehr viel und ungewöhnlich stark geregnet und es war bitterkalt. Gewöhnungsbedürftig war es da schon, ohne Heizung und warmes Wasser auszukommen. Gott sei Dank 2 warme Schlafsäcke und tagsüber konnte man sich ja anziehen. Gar nicht gerne verließ ich am Morgen mein warmes Nest, ich kann meinen Atem sehen, wirklich saukalt. Außerdem tagsüber ein komisches Gefühl mit Anorak und Winterschuhen in der Wohnung zu sitzen. Duschen hat wahrlich keinen Spaß gemacht und ich habe das bei aller Liebe nicht täglich gebraucht. Für den Weg zum Bus nach La Paz mussten wir die Autobahn zu Fuß überqueren und die Mittelleitplanke überspringen, ein nicht ganz ungefährliches Abenteuer für mich und bei uns absolut undenkbar.
Die Menschen sind gläubig, die Kirchen voll auch mit Kindern. Die Leute bringen Blumen und andere Geschenke vor den Altar.

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Der Verkehr und die Massen an Menschen erschreckten mich immer wieder. Moni warnte mich auch davor dass ich eventuell angespuckt werde könnte, so verwirren sie die Menschen um sie dann auszurauben usw., ich solle darauf vorbereitet sein. Gott sei Dank ist das nicht passiert.
Den Betrieb am Markt kann man sich nicht vorstellen, nur Menschen und Produkte, überall wo man hinschaut. Ich hätte nicht von Moni getrennt werden wollen, da wäre ich sicher verlorengegangen, unvorstellbar.
Der Straßenverkehr und der Gestank der Abgase ist schier unerträglich. Hier am Verkehrsknotenpunkt fahren unter anderem die Busse nach La Paz. Kinder sind da als Busausrufer und Fahrgeldeinsammler tätig, übernachten oft sogar im Bus damit sie am Morgen gleich wieder verfügbar sind für minimale Bezahlung. Auch im Projekt lernte ich solche Kinder kennen. Ebenso hatte ich Kontakt mit den Schuhputzern.
Viele dieser Kinder und Jugendlichen betäuben ihre Verzweiflung mit Alkohol und billigen Schnüffelstoffen, ein neuer Kreislauf von Sucht und Gewalt, vor dem völligen Abtauchen.
Auch diese Menschen finden wenn sie wollen Hilfe bei Whipala, hier erfahren sie ein Stück Regelmäßigkeit und Geborgenheit, was ihnen in den Familien oft fehlt. Hier ist Gruppenarbeit sehr wichtig, auch der Kontakt zu anderen sozialen Einrichtungen und politischen und kirchlichen Vertretern.
Neu eingeweiht wurde im Sommer ein Betreutes Wohnen. Unter pädagogischer Aufsicht ist eine Art familiäre Wohngemeinschaft für Kinder und Jugendliche entstanden, die aufgrund persönlicher Umstände nicht mehr zu Hause wohnen können.
Bei all diesen nicht einfachen Umständen zu leben zeigten sie mir aber auch immer wieder die Freude in einer besonderen Herzlichkeit. Da ich mit der Höhe und dem Klima nicht so zurecht kam, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Erbrechen durfte und musste ich die Fürsorge dieser liebenswerten Menschen immer wieder in Anspruch nehmen.

 
  Ausflug an den Titicacasee  
 

An den Osterfeiertagen unternahmen Moni und ich noch eine Fahrt nach Copacabana zum Titicacasee. Stundenlang mit dem Bus am Altiplano entlang, sehr karge aber schöne Gegend. Bei strömendem Regen Ankunft aber dann schönes warmes und trockenes Wetter. Auch hier wieder eine Masse an Menschen. Wir genießen erstmals eine wunderbare Forelle und genehmigen uns ein "sehr gutes Hotel". Machen eine Kreuzweg-Wanderung und genießen die Tage.

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Es geht uns aber beiden wieder gesundheitlich nicht ganz so gut. Der Ostergottesdienst ist sehr schön, viele Menschen bringen Blumen und Geschenke in die Kirche. Hier gibt es auch ein Kerzenhaus, wo man alles mit Kerzen und Wachs machen kann, ist schon sehr berührend. Alle Gottesdienste sind wunderbar gestaltet mit südamerikanischer rhythmischer Musik und dauern natürlich entsprechend lange. Mutter Gottes, Jesus und Heilige werden mit tosendem Applaus begrüßt, auch immer wieder zwischendurch während der Messe, auch Hunde und sonstiges Kleingetier ist in der Kirche. Alle gehen zur Kommunion, Mundkommunion. Zum Schluss gibt es den Segen, mit viel Wasser, jeder einzelne eine Handvoll über den Kopf und Gesicht.
Nach 3 Tagen fahren wir wieder zurück zum Projekt. Endloser Stau, kein Problem, benutzen wir halt in 4er Reihen die Gegenfahrbahn die ja gerade frei ist, fahren durch Wiesen und Äcker usw….erstaunlich wie alles funktioniert
Mein Magen hat sich die ganze Zeit nicht wohl gefühlt, jetzt bin ich auf Medikamente vor Ort angewiesen, die mitgebrachten helfen leider nicht.
Nach den letzten Tagen im Projekt freue ich mich jetzt schon sehr auf die Heimreise. Mit vielen wunderbaren aber auch erschütternden Eindrücken über dieses Land, das Projekt, die Menschen vor Ort, deren Überlebenswillen aber auch Bitten durch sie um weitere Unterstützung verabschiede ich mich aus Bolivien.
Dankbar um Mitternacht wieder gut zu Hause angekommen zu sein begebe ich mich am nächsten Tag in der Früh zur Arbeit.

 
  Alles kein Problem bei den Problemen in Bolivien  
 

Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit habe dazu beizutragen ein klein wenig die Welt gerechter und lebenswerter für alle zu machen.
Gerade am Sonntag hörte ich wieder dass in Bangladesch über 120 Menschen in einem Bekleidungsherstellungsbetrieb verbrannt seien, da keine Notausgänge vorhanden und sie eingeschlossen waren!!!
Genau da setzt der Faire Handel an, Rechte auch und vor allem für die Ärmsten der Armen.

Rosi Pscheidl

 
  projektgruppealpaka
 
 

 

 
 
www.weltladen-mitterfelden.de – Pfarrzentrum St.Severin, Ludwig Thoma Str. 2 83404 Mitterfelden
Ihr Fachgeschäft für fairen Handel.